Mit der Maus zum Millionär!
„Berufsklasse Gamer“: Entwicklung und Perspektiven
(csc) Richtungweisend war neben der technologischen Entwicklung wie die Verbreitung des Internets sicherlich das menschliche Bedürfnis, Interessensgruppen zu bilden. Einzelne Spieler fanden sich im Netz zusammen und bildeten eine Gruppe mit spartanischem Online-Auftritt und einem eigenem Server. Der Clan war geboren. Nach und nach entwickelten sich die Spielergruppen weiter und aus losen Interessensgemeinschaften wurden Organisationen mit Struktur, Aufgabenverteilung und Trainingsplänen. 1996 gründete sich der Clan OCRANA, eine der ersten ernstzunehmenden eSport-Mannschaften. „Unsere Ziele? Wir wollten einfach die Besten sein“, so einer der Mitgründer des bis Ende 2008 existierenden Clans.
Das erste Großevent
Ein Meilenstein für die Entwicklung des eSport war die US-amerikanische Cyberathlete Professional League (CPL) – eines der ersten internationalen Gaming-Turniere mit Preisgeldern. Auf dessen erster Event „The Frag“, der 1997 in Dallas(Texas) stattfand, spielten die „Cyber-Athleten“ um 4.000 US-Dollar Siegprämien . Im selben Jahr verlor John Carmack, Programmierer von Quake und Doom, seinen Ferrari an den ersten Platz im offiziellen Doom 2-Turnier . Gewinner war der damals 20-jährige Chinese Dennis „Thresh“ Fong – der erste Star einer noch jungen Szene.
Ein wichtiger Schritt für die weitere Entwicklung des eSports war aus deutscher Sicht die Gründung des Clans mTw im Jahre 1998. In den folgenden Jahren sollte mTw die aufkommende internationale Online-Ligen-Landschaft mitdominieren. Auch in Deutschland galt mTw in der 1997 gestarteten Deutschen Clan Liga, aus der später die ESL hervorging, lange Zeit als das führende Top-Team. Recht früh erkannten die Veranstalter das Potential, das sich hinter einer Plattform für Spiele mit Regeln, Punkte- und Ligasystem verbarg. So konnten sich Teams problemlos herausfordern und sich mit ihren Leistungen in Statistik-schweren Ranglisten verewigen – rasch erfreuten sich die Online-Ligen großer Beliebtheit. Neben mTw und OCRANA entstand in der zweiten Hälfte der 90er Jahre noch ein dritter, bis heute bekannter Clan: SK, später SK-Gaming, die wenige Jahre später als erster Clan Spielerverträge einführten und Gehälter zahlten.
Weltweit mit der WCG
Der nächste große Schritt für den eSport vollzog sich im Jahre 2000: Die World Cyber Games (WCG) wurden gegründet, ein weltweites Turnier mit den meisten teilnehmenden Nationen im elektronischen Sport. Bis heute werden jährlich in nationalen Vorausscheidungen die besten Spieler eines Landes gesucht, um auf einem großen Finale die besten Teams der Welt zu ermitteln. Trotz vieler nationaler und internationaler Konkurrenzveranstaltungen sind die WCG dank Olympia-Flair (die Nationalteams laufen beispielsweise bei der Eröffnungszeremonie mit ihren Landesfarben ein) eines des bedeutendsten eSports-Events.
Aufgrund der wachsenden Fangemeinde von Counter-Strike (CS) holten sich die Top-Clans schon früh Teams für dieses Spiel ins Boot. Während in den USA auf vereinzelten Großevents wie den CPLs die besten Einzelspieler um Preisgelder kämpften, dachte man in Deutschland noch lange nicht daran, fürs Spielen bezahlt zu werden. Erst mit der von Jens Enders und Thorsten Zippan 1999 entwickelten Liga NETZSTATT wurde der erste deutsche CS-Meister im Jahre 2000 auf der inzzide LAN Party in Berlin ermittelt und mit Geld belohnt: mTw. Ein Jahr später sorgte das CS-Team des Clans bereits weltweit für Furore: Die fünf mTw-Spieler qualifizierten sich für die WCG Grand Finals in Korea und mussten sich nach einer Siegesserie erst im Finale gegen die Kanadier geschlagen geben. Als zweit bestes CS-Team der Welt kamen die Spieler von mTw mit 20.000 Euro im Gepäck nach Hause.
Schimpfwort Pro Gaming
Trotz der ersten Erfolge auf internationaler Ebene und steigenden Preisgeldern war zu jener Zeit in Deutschland der Begriff „Pro Gaming“ schon fast eine Beleidigung. „Das Pro Gaming zerstört die CS Community“, lautete der Grundtenor in der Szene. Mit dem Zocken Geld zu verdienen, während der Großteil der Counter-Striker nur aus Spaß und auf eigene, teils hohe Kosten spielte, stieß auf viel Kritik. Aufzuhalten war der Profi-eSport dennoch nicht. So fand die von dem Unternehmen Turtle Entertainment im Auftrag der CPL ausgetragene Veranstaltung der CPL Europe 2002 in einer gesellschaftsfähigen Kulisse statt: Das Luxushotel Maritim am Kölner Rheinufer bot den besten Spielern der Welt und ihren Anhängern ein gediegenes, seriöses Ambiente.
Die ersten EPS Finals
In den folgenden Jahren entwickelte sich die deutsche eSport-Gemeinde plötzlich enorm. Die World Wide Championship of LAN-Gaming (WWCL) und später die Netzstatt Gaming League (NGL) traten auf den Plan und bündelten die bis dato unstrukturierten Lan-Party-Szene durch ein ausgeklügeltes Punktesystem und etablierten Ligen, die wiederum die besten Spieler und Teams zweimal im Jahr zu publikumswirksamen (und bereits mit Sachpreisen wie Autos dotierten) Finals riefen. Parallel hierzu startete die ESL mit Hilfe ihres Mainsponsoren Intel, der den Großteil der Preisgelder zahlte und insofern den eSports hierzulande mit ihrer „Pro Series“ mit Offline-Events förderte und etablierte damit die bedeutendste Spielklasse in Deutschland. Die ersten EPS-Finals wurden im Dezember 2002 noch im Keller des Kölner Internetcafes Future Point ausgetragen und die Spieler, die zuvor im Serverraum eingeengt zwischen Routern, Kabelsalat und stickiger Luft ihre Partien ausgetragen hatten, hielten verunsichert ihre überdimensionalen Pappchecks bei der Siegesfeier vor wenigen Zuschauern hoch. Trotz der aus heutiger Sicht eher beschaulichen Kulisse wurden in dieser ersten EPS-Saison bereits 80.000 Euro an die Spieler ausgeschüttet.
Herausragende Gaming-Events
Mehr als das 15-fache dieser Summe lobte im November 2004 die Veranstalter im „Fatal1ty Shootout“ auf der chinesischen Mauer aus. Gesucht wurde ein Herausforderer für den bekannten US-Pro-Gamer John „Fatal1ty“ Wendel, der zu diesem Zeitpunkt wegen seiner Siege auf den CPL-Events sowie seinen Sponsorenverträgen schon zum Millionär geworden war. Sein Gegner, der Chinese Mong „Rocketboy“ Yang, der das Spiel überraschend deutlich mit 26 zu 4 gewann, konnte daraufhin 125.000 US-Dollar sowie einen dicken Sponsorenvertrag des Hardware-Herstellers Abit einstecken. Doch trotz seiner Niederlage sollte 2005 das große Jahr für Fatal1ty werden: Er stieg rechtzeitig auf den Titel Painkiller um – dem mit 1 Million US-Doller dotierten Spiel der CPL World Tour. Von den 12 Stops gewann er zwei sowie das große Finale gegen seinen größten Konkurrenten, dem Holländer Sander „Vo0“ Kaasjager und schrieb erneut eSport-Geschichte: Sein Sieg brachte ihm den elften Titel in mittlerweile fünf unterschiedlichen Spielen.
The only way is up?
In Deutschland ist eSport gerade bei Jugendlichen mit hoher Gaming-affinität sehr beliebt. Im Laufe der Jahre haben Venture-Capital Firmen in Ligen und Veranstaltungen investiert, Flächen im Spiel CS wurden für hohe Geldbeträge an Werbeunternehmen verkauft. Spiegelbild des eSport-Aufschwungs sind vor allen Dingen Messen wie CeBIT oder die gamescom (ehem. Games Convention). Auf der größten Spielermesse Europas präsentierten sich jedes Jahr professionelle Ligenbetreiber und Clans. Einzelne Spielerstars tauchen regelmäßig in den Massenmedien auf, Turniere werden an markanten Orten wie der AOL-Arena in Hamburg, dem Sony Center in Berlin oder dem Heidepark Soltau ausgetragen.